Interview über Trennung auf Radio Wien mit Alexander Goebel

Trennungen gehören zum Leben dazu und Radio Wien hat Anfang Mai eine Serie über das Thema Beziehungen gebracht. Ich wurde als Expertin eingeladen an einem Radiointerview über Trennungen teilzunehmen. Was passiert bei einer Trennung? Was bedeutet eine Trennung in Zeiten von Social Media? Und wie geht man mit Trennungen um? Seien Sie gespannt und hören Sie rein in das Interview mit dem freundlichen Moderator Alexander Goebel:

Hier kann man den Beitrag von Radio Wien nachhören:

© ORF, Radio Wien



Es folgt das Radiointerview in abgetippter Form. AG steht für Alexander Goebel und DJ steht für Doris Jeloucan.

AG: Es ist der Mittwoch Abend, Sie sind bei Radio Wien und wir sprechen im Zuge unserer Serie über Beziehungen heute über das Verlassen und zwar über das pro-aktive Verlassen aber auch natürlich um das viel unangenehmere Verlassen werden. Warum, wovor wir uns fürchten, wie wir danach da herangehen an das Leben ohne den Partner. Beziehungsweise wie wir möglicherweise auch das Verlassen vermeiden könnten. Da gibt es mittlerweile Paartherapeuten, auch Singlecoaches etc, und davon gibt‘s viele liebe Zuhörerinnen und Hörer, aber nur ein paar wirklich sehr gute. Eine davon hab ich jetzt am Telefon und da freu ich mich ganz besonders und das Mag. Doris Jeloucan sich bereit erklärt hat uns ein wenig weiter zu helfen. Guten Abend Frau Magister.

DJ: Guten Abend. Vielen lieben Dank für die netten Blumen Herr Goebel.

AG: (lacht) Jetzt die grundsätzliche Frage, die auch Ingrid Rehusch als Redakteurin gestellt hat: Verlassen wir aus Angst vor der Nähe oder Verlassen wir aus Angst vor der Distanz?

DJ: Grundsätzlich ist es in jeder Beziehung ein Nähe-Distanz-Problem.

AG: Immer?

DJ: Es ist immer die Herausforderung zwischen „Ich will mich nicht verlieren“ und „Ich will dich nicht verlieren“. Und wie schaff ich dies in Balance zu bringen? Natürlich sind in Zeiten wie diesen die Bindungsängste am Vormarsch.

AG: Okay. Da würde ich jetzt darauf eingehen, aber das wär `ne andere Sendung. Aber halten wir das mal in Petto warum das so ist, ja. Wir müssen nicht mehr zusammen bleiben … seit einiger Zeit … ja, also Frauen können sich selbst mit Kindern, wenn gleich oft sehr mühsam, aber doch selbst erhalten. Diese „einmal geschlossen Ehe, danach ist alles zu ertragen“, die gibt es jetzt nicht mehr. Und es ist auch mittlerweile der Normalfall, dass man im Laufe seines Lebens mehrere Partner, wir kennen diesen Lebensabschnittspartner etc, hat. Warum ist es dann trotzdem für uns immer so ein emotionaler Supergau?

DJ: Bei einer Trennung verlieren meistens unsere Verbindung zu unserer primären Bindungsperson. Und da schlägt unser eingebautes Bindungssystem alarm und bekommt so etwas wie eine Urangst. Denn wenn man sich in der Steinzeit von jemanden getrennt hat, der sich um einen gekümmert hat, dann war das der sichere Tod. Gott sei Dank ist es, wie Sie schon gesagt haben, nicht mehr so. Aber unser Hirn weiß das leider nicht und aktiviert in absolut seltenen Zentren, die zum Beispiel auch aktiviert werden, wenn wir körperlichen Schmerz fühlen. Und Sie kennen vielleicht schon den Begriff das „gebrochenes Herz Syndrom“, wo der Körper ja ganz massiv auf Bindungsverletzungen reagiert.

AG: Ja, nicht nur theoretisch Frau Magister kenn ich das. Nicht nur theoretisch, leider.

DJ: Ohje.

AG: Das heißt jetzt aber, nachdem ich Ihnen zugehört habe und sozusagen den geschichtlichen Kontext begriffen habe, dann ist doch eigentlich dieser mehr oder weniger abgeschmackte Satz „Wir können ja gute Freunde bleiben!“ hat doch eigentlich einen völlig neuen und wirklich durch und durch berechtigten Sinn.

DJ: Ja, natürlich.

AG: Also sollten wir danach streben?

DJ: Grundsätzlich muss man sich schon anschauen, wie die Beziehung vorher war und wenn die Beziehung vorher nicht gut war, verletzend, massiv; hat das natürlich keinen Sinn. Aber wenn das ein typisches „Wir haben uns auseinander gelebt. Wir haben uns irgendwann einmal sehr gern gehabt und dann sind halt verschiedene Sachen passiert und dann kann man durchaus – und das kann ich Ihnen aus eigener Erfahrung sagen – wenn ein angemessener Zeitraum vergangen ist und sich die Sache wirklich reflektiert hat, kann man durchaus sehr sehr gute Freunde bleiben. Denn irgendwann hatte man ja den Menschen, nicht den Partner, sondern den Menschen sehr gern und das macht Sinn. Und wie viele Menschen gibt’s denn da draußen, die wirklich kompatibel sind? Also das ist schon was wertvolles.

AG: Absolut. Nun ist ja auch unsre Liebe, unsre Beziehung, unsre Trennung … das ist ja alles so öffentlich wie nie zuvor.

DJ: Ohja.

AG: Und gerade was Social Media angeht; ich versteh’s ja gut, dass man sich kennenlernt möglicherweise auf Social Media. Zufällig oder auch wirklich gezielt auf diesen dazu geschaffenen Plattformen. Aber was ist mit der Trennung? Das ist doch ein zusätzlicher Schmerz den wir jetzt noch in unser Leben eingebaut haben. Oder?

DJ: Auf jeden Fall. Da gibt es sogar eine Studie dazu, die besagt, dass Menschen, die sich auf Facebook nicht trennen, länger leiden. Und je öfter man auf Social Media schaut, desto mehr leiden sie sogar. Das ist von der Brunel University.

AG: Wow. Was schlagen Sie vor?

DJ: Ich persönlich schlage vor den Kontakt möglichst gering zu halten. Es gibt jetzt da verschiedenste Apps die das machen; Eternal Sunshine zum Beispiel. Die den Partner aus den Newsfeed löschen, denn es kann ja auch sein, dass man sich nicht unbedingt online trennen kann oder mag, weil es blöd ausschaut, weil man Kinder hat.

AG: Okay.

DJ: Und es kann natürlich sein, dass man gemeinsame Bekannte hat, Freunde hat, wo man dann natürlich im Newsfeed dann auch sieht, wenn der was mag. Es wäre für ihr Hirn wirklich heilsam, wenn sie mindestens drei Monate lang absolut keinen Kontakt haben und dabei helfen dann die Apps schon, die das herauslöschen.

AG: Und kann Social Media und diese ganze elektronische Öffentlichkeit uns eigentlich auch helfen beim drüber hinweg kommen, über die Trennung?

DJ: Wenn ich jetzt humorvoll drauf schauen würde, würde ich sagen man ist zumindest vorbereitet und weiß wie die Neue ausschaut.

AG: (lacht) Das ist wahr. Ja, es ist trotzdem wahnsinnig schmerzhaft.

DJ: Es ist sehr sehr schmerzhaft und diverse Studien wissen, je öfter sie hinschauen, desto mehr tut‘s weh. Ich sag einmal das ist was für Masochisten. Wir erwarten uns … oder wir würden gerne sehen, dass der andere leidet und ohne uns ist es nicht so schön. Aber wer postet bitte denn von sich Fotos nachts heulend im Bett? Ich hab noch nie jemanden gesehen.

AG: Ja. Überrascht wären wir nicht, Frau Magister, oder …

DJ: (lacht)

AG: … wissend was alles gepostet wird?

DJ: Ja, aber meistens postet man doch diese Dinge, die schön sind, die neu sind, die aufregend sind und das will man als Ex nicht sehen.

AG: Also mir fällt in letzter Zeit auf, wir schweifen ab, aber es macht Spaß mit Ihnen. Das ich immer mehr Spitalsbilder von Ihnen bekomme.

DJ: (lacht) Oh Gott.

AG: Vor der OP, während der OP, nach der OP. (lacht) Also es ist nur noch ein kleiner Weg zum Herzen, bis wir auch das sehen, sozusagen. Diese Tragödie. Ganz schnell noch gefragt Sie als Fachfrau: haben wir uns damit abzufinden, dass die Plattformen in denen sich Menschen verabreden und treffen, will sie eben keine Zeit haben auszugehen oder Gelegenheit, dass das eine gesellschaftliche Realität ist. Sagen Sie uns das jetzt akademisch?

DJ: Ja.

AG: Ja? Da haben Sie nicht mal nachdenken müssen, gell?

DJ: Nein, überhaupt nicht, weil ich brauch sozusagen nur in andere Kulturen schauen. Wenn wir zum Beispiel in die japanische Kultur schauen, die haben wirkliche Probleme, die jungen Leute, wenn sie sich mal treffen in echt, die haben gar keine Ahnung was sie miteinander machen sollen. Sogar die sexuelle Lust ist bei denen heruntergefahren, sogar die Hormone fahren nach unten. Weil sie keinen Kontakt haben, weil‘s ihnen niemand beibringt, wie man mit dem anderen Geschlecht umgeht. Also es ist schon massiv. Ich sag einmal, das ist ein Blick in unsere Zukunft.

AG: Jeijei. Okay. Gegenmaßnahme?

DJ: Raus.

AG: (lacht) Das ist ja wohl der schönste Exit, den ich hier seit langem gehabt hab in einem Interview. Ein knackiges einsilbiges Wort: „Raus.“ Das hat Spaß gemacht. Vielen herzlichen Dank Frau Mag. Jeloucan. Danke für Ihre Arbeit. Danke für Ihre Empathie. Danke, dass Sie uns ihresgleichen für uns da sind, gerade in diesen schwierigen Zeiten der Trennung, des Abschiednehmens und bitte bleibt drann, macht es uns leichter.

DJ: Ich sage Danke Herr Goebel, das ist sehr wertschätzend von Ihnen.

AG: Danke. Schönen Abend.

DJ: Ihnen auch.

AG: Auf Wiederhören.

DJ: Tschüss, auf Wiederhören.


Wann wurde das Interview im Radio gesendet?

Am 04. Mai 2016.

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